1w6 - Ein Würfel System - Einfach saubere, freie Rollenspiel-Regeln

Rollenspiel ist eine Symbiose

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Auf Nebelland schreibt Florian Berger, dass Erzählrollenspiel und taktisches Rollenspiel unterschiedliche Klassen von Spielen seien und daher eigentlich nicht kombiniert werden können.

Ich sehe in seinem Ansatz das grundlegende Problem, dass er aus der Aussage "es sind unterschiedliche Klassen" direkt ableitet, dass sie nicht kombiniert werden können. Dabei fällt allerdings die Erfahrung vieler Runden unter den Tisch.

Bitte schau dir auch meinen aktuelleren Artikel Realitätscheck an. Er ist das, was dieser Artikel hätte sein sollen. Dieser Artikel selbst ist meiner eigenen Meinung nach zu unfundiert. Ich lasse ihn allerdings aus zwei Gründen auf der Seite: Als Referenz (gesagt ist gesagt :) ) und wegen der konstruktiven Kommentare von TheClone und anderen, die nicht verloren gehen sollten.

Genauer: Er widerspricht aufgrund einer Theorie der Spielrealität jeder einzelnen Runde, in der ich bisher gespielt habe. Wir haben fröhlich taktisches Spiel und Erzählspiel gemischt und sind flüssig von fast rein taktischen Kämpfen in Erzählszenen übergewechselt ("Wie weit ist er weg? Verdammt, reicht nicht.", "OK, das Schiff ist hier, dann kommen wir vor ihm rüber und können ihn abfangen", ..., "nimm die Waffe runter, er hat sich ergeben!" "Vergiss es, er wird sterben!"). Oft genug existieren sogar mehrere Stile gleichzeitig: Ein Spieler spielt taktisch, während die anderen eher erzählen oder umgekehrt, und es funktioniert.

Selbst wenn also Erzählrollenspiele und taktische Rollenspiele unterschiedliche "Klassen" von Spielen darstellen sollten, hieße das noch lange nicht, dass sie nicht kombinierbar wären. Im Gegenteil könnte es bedeuten, dass die Theorie falsch ist und die Kombination von unterschiedlichen "Klassen" einiges an Mehrwert bringen kann.

Im Gegensatz zu klassischen Spielen haben wir es nämlich nicht mit zwei unvereinbaren Regelkonzepten zu tun ("Beim Schach schlagen Figuren, indem sie das Feld einnehmen, bei Dame, indem sie das Feld überspringen"), sondern mit zwei komplementären Systemen. Ein Kampf verliert nicht an taktischer Herausforderung, wenn ein Spieler seine Handlungen auch daran orientiert, an welchem Punkt in der Geschichte die Runde gerade ist (ein Situation, in der es um nichts geht, ist es auch in einem Erzählrollenspiel nicht wert ausgespielt zu werden, daher gibt es immer einen Grund, sein Bestes zu geben, zumindest wenn die SL bei der Vorbereitung gute Arbeit geleistet hat - schaffe ich als SL allerdings auch nicht immer...), und eine Geschichte wird nicht weniger dramatisch, wenn die Kämpfe realistisch und gefährlich sind - in beiden Fällen muss die SL sowohl ein gutes Gefühl für Drama als auch taktisches Geschick besitzen - oder entsprechende Abenteuer finden.

Ein Kampf wird sogar eher spannender, wenn er in eine größere Geschichte eingewoben ist, und eine Geschichte erhält an Substanz, wenn die Kämpfe dem Hintergrund entsprechend (="realistisch") sind.

(gilt natürlich auch für andere taktische Situationen und nicht nur für Kämpfe; die sind nur das stereotypische Beispiel für Taktik :) ).

Damit kann aus zwei vorher getrennten Bereichen (Erzählen und Brettspiel) ein größeres Ganzes entstehen.

Die einfache Gleichung "Unterschiedliche Klassen = nicht kombinierbar" halte ich daher für zu kurz gegriffen.

Außerdem zweifle ich daran, dass das Argument "unterschiedliche Klassen" haltbar ist. Im nächsten Teil des Textes gehe ich deswegen Schritt für Schritt auf die einzelnen Argumente seines Textes ein, die belegen sollen, dass wir zwei getrennte Klassen von Spielen haben. Behaltet dabei bitte im Kopf, dass selbst wenn wir zwei Klassen von Spielen haben sollten, daraus nicht einfach gefolgert werden könnte, dass sie nicht kombinierbar sind.

Zu Analyse 1

Punkt Spannung: Die Frage "wird diese Handlung/Planung gelingen" gibt es bei uns ständig - und die SL weiß es auch nicht vorher. Trotzdem spielen wir Geschichten und wissen, dass die Chance unserer Chars zu sterben extrem gering ist. Das ist bei uns der Unterschied zwischen "Erfolg/Misserfolg" und "Spielende". Die Gefahr des Misserfolgs erzeugt Spannung (und ein Misserfolg ist ärgerlich, aber es geht weiter), die Gefahr des Spielendes erzeugt allerdings bei langjährig erschaffenen Chars schlicht und einfach Angst um die eigene Schöpfung.

Beispielsweise spiele ich einen meiner Chars seit jetzt gut 5 Jahren fast alle zwei Wochen, und ihn (bzw. Sie: Sskreszta) zu verlieren würde die kreative Arbeit dieser 5 Jahre zunichte machen. Da ich inzwischen ihre Ängste und Wünsche recht weit verinnerlicht habe, erzeugt schon die Sorge um liebgewonnene NSCs eine Spannung, die ich bei gerade frisch erschaffenen Charakteren kaum habe.

Auch die Aussage, dass dramatische Spiele keine taktischen Regeln hätten, bezweifle ich. "Dramatische" Regeln sind ebenso taktisch wie offensichtlich taktische Regeln, aber in einer anderen Welt - in einer Welt, in der die Helden wirklich nicht von der Uzi getroffen werden, wenn sie mit dem Katana auf den Gegner zustürmen, und in der Versagen nicht den Tod bedeutet, sondern das Nichterreichen von Zielen.

Schaut euch nur Discworld an. Die Hexen hantieren mit Narrativum genauso taktisch wie (viele) Schattenläufer mit Schusswaffen.

Selbst wenn aber Kämpfe rein abstrakt bleiben und nur noch direkt gewürfelt wird, ob Charaktere Ziele erreichen, sind zur Erreichung bestimmter Ziele vorher Teilziele notwendig, und damit kommen wir wieder in den Bereich der Taktik - und der Regeln.

Die einzigen Erzählrollenspiele ohne taktische Regeln sind damit diejenigen, in denen die Spieler wenig bis keine Kontrolle über das Spiel haben, also Regeln effektiv verschwinden, oder in denen Regeln so grob definiert sind, dass sie nicht mehr genutzt werden können. Anders gesagt: Sobald "ich halte dem furchtsamen Händler meine Waffe von hinten gegen den Schädel" keinen Bonus auf die Verhandeln-Probe gibt, wird taktischer Kampf unmöglich :)

Das ist allerdings in keinem mir bekannten Spiel so - und sei es nur, weil sich da der gesunde Menschenverstand einschaltet.

In Analyse 1 bleibt damit meiner Ansicht nur "Kampf und Darstellung" als wirklicher Unterschied bestehen - und der nur in Nuancen, denn auch in Erzählrollenspielen sind Kämpfe wichtig (größtmögliche Eskalation von Konflikten), und ebenso sind in taktischen Rollenspielen die Beschreibungen wichtig, nur in anderer Stimmung.

Zu Analyse 2

Florian bespricht hier erst die "Komponenten", um die es im Spiel geht.

Soweit ich es verstanden habe, geht es dabei im taktischen Rollenspiel um Änderungen in der realen Welt und im Erzählrollenspiel eher um dramaturgische Aspekte ("was wird bewegt, was verändert?").

Da die dramaturgischen Aspekte aber immernoch in einer Welt spielen, bedeutet das einfach, dass im Erzählrollenspiel die Welt gewichtet wird: Bereiche, die für die Geschichte interessant sind, werden hervorgehoben, während andere Bereiche in den Hintergrund treten. Nichts anderes tun allerdings Regeln, die dafür sorgen, dass das Ausspielen eines Kampfes zwei Stunden dauert: Sie gewichten 5 Angriffsproben sehr viel höher als das zweistündige Handelsgespräch - obwohl das Gespräch für ihren nächsten Kampf möglicherweise viel relevanter ist.

Ich sehe daher nur, dass bei taktischem Spiel ein anderer Bereich hervorgehoben wird. Grundlegend machen aber Erzählrollenspiele und taktische Rollenspiele das gleiche: Sie nehmen eine Hintergrundwelt und stellen daraus bestimmte Situationen in den Vordergrund.

Statt hier zwei Klassen zu definieren könnten wir also genauso sagen, dass Rollenspiele die für das Spiel interessanten Aspekte in den Vordergrund stellen und andere zurückstellen (z.B. die Frage, wie oft ein Charakter am Tag auf die Toilette muss, und wie ein Schenkenbesuch das beeinflusst).

Effektiv kommen wir damit zur Frage: "Warum machen wir das eigentlich?", oder: "Was sind unsere Ziele?"

Um die Frage noch weiter zu spannen: Was macht einen spannenden, befriedigenden Ablauf im Rollenspiel aus?

Ein paar Ideen meinerseits:

  • Die Geschichte ist interessant (drama),
  • die Charaktere sind erfolgreich (taktik),
  • ihre Handlungen sind bedeutungsvoll und
  • es macht Spaß, sie auszuspielen (schauspiel).

Ich bezweifle, dass ich damit alles habe - wenn euch noch mehr einfällt, schreibt es doch einfach in einen Kommentar :)

Natürlich sind nicht alle dieser Punkte für jeden Spieler gleich wichtig, aber ich denke, sie geben einen schönen Überblick.

Und damit kommen wir dann auch schon zur Mechanik: Von der Mechanik werden idealerweise die Komponenten beeinflusst, die das Spiel in den Vordergrund stellen will.

Wir erhalten taktisches Spiel (oder Schach), wenn unser Ziel nur Erfolg ist, Erzählspiel (oder komplexe Bücher), wenn unser Ziel nur eine interessante Geschichte ist, Improvisationstheater (oder seichte, aber handwerklich hervorragende Literatur), wenn wir nur auf schönes Schauspiel achten und Actionfilme (oder HipHop), wenn wir nur Bedeutung wollen.

Damit sehen taktisches Rollenspiel und Erzählrollenspiel aber nicht mehr wie zwei Klassen aus, sondern nur noch wie unterschiedliche Ausprägungen einer gemeinsamen Spielform.

Jegliches Spiel "in Reinform" ist damit einfach eine Konzentration auf nur ein paar wenige Aspekte, nämlich diejeniigen, die die Spieler am meisten interessieren. Und effektiv ist es kein Rollenspiel mehr, sobald wir es auf einen einzelnen Bereich reduzieren (denn Schach ist das am Besten balancierte taktische Spiel - außerdem geht es immer um Leben und Tod).

Was ich sagen will: Erzählrollenspiel und taktisches Rollenspiel sind keine eigenen Klassen, sondern einfach Ausprägungen des Rollenspiels, die sehr gut zusammen funktionieren, solange niemand ein Ziel alleine ins Extrem treibt. Wenn alle anerkennen, dass Rollenspieler keine homogenen Ziele haben, funktioniert das Spiel gut.

Was wir Rollenspiel nennen ist also eine Symbiose aufs den verschiedensten Spielformen, und je nachdem, was den Mitgliedern jeder einzelnen Runde wichtig ist, können unterschiedliche Aspekte betont werden.

Abschluss

Jetzt noch zu einem wichtigen Punkt: Was mir Florians Artikel gebracht hat.

Er hat mir nochmal klarer gemacht, dass es unterschiedliche Aspekte gibt, und wenn unsere Runden nicht gerade aus Spielern nur einer Richtung besteht, sollten wir aufpassen, dass wir die unterschiedlichen Aspekte integrieren - jeweils so stark, dass wir ein für unsere Runden ideales Gleichgewicht finden - fürs Rollenspieldesign heißt das, dass alle Aspekte irgendwie vertreten sein sollten, je nach Hintergrund halt etwas stärker oder schwächer.

Außerdem zeigt er deutlich, dass die Anforderungen des Spiels an die Spieler sich je nach Spielstil unterscheiden. Und der Versuch der Definition bringt meistens interessante weitere Ideen hervor (Stichwort "akademischer Diskurs").

Für gemischte Runden (also für die meisten) bedeutet das, dass jeder Spieler je nach seinen Fähigkeiten in unterschiedlichen Szenen verschieden viel Erfolg haben wird. Ein off-play sehr guter Taktiker wird auch in-play bei Szenen Erfolg haben, in denen er Taktitk braucht, während ein Theaternarr dann die meisten Erfolgserlebnisse haben wird, wenn es um schönes Ausspielen seines Charakters geht. Beides in Regeln zu integrieren bedeutet, dass beide ihre Erfolgserlebnisse haben.

Eins komplett draußen zu lassen bedeutet allerdings, dass das Spiel für einen Gutteil der Spieler uninteressant wird - und bei 6 Leuten ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass mindestens 2 der 4 Spielstile mindestens einem Spieler wichtig sind. Bei Zufallsverteilung sind es wahnwitzige 97,265625% (ich habe gerade den Baum gemalt, weil mein Wissen um Statistisches Rechnen etwas eingerostet ist :) ).

Annahmen darin: 6 Spieler pro Runde (inklusive SL) und zufällig verteilte Spielstile, die sich nicht ändern. jeder Spieler hat einen Lieblingsspielstil, den er auf keinen Fall missen will. Spieler wählen ihre Runde zufällig und bleiben dann dabei. Wenn das Spiel einem Spieler nicht gefällt, wird es nicht gespielt.

Unter diesen (unrealistischen) Annahmen hätten Spiele, die zwei Spielstile komplett rauslassen, also einen Marktanteil von knapp 3%, wenn sie das einzige auf dem Markt wären und alle Runden, die nur die drei unterstützten Spielstile wollen, das eine Spiel spielen würden. Das ganze nochmal durch 6, da es 6 unterschiedliche Kombinationen gibt (Binomi), wie zwei Stile weggelassen werden können, also in Wirklichkeit maximal 0.5%.

Der maximal mögliche Marktanteil in zufälligen Runden für Spiele, die nur einen Stil komplett weglassen wäre unter den obigen Annahmen gut 64%. Allerdings gibt es von der Art 4 Nischen, für jeden wegzulassenden Spielstil eine, und sie alle teilen sich die 64%, also wäre der maximale Anteil bei einem weggelassenen Stil 16%. Damit kann ein Spiel also durchkommen, und wenn es dadurch die verbleibenden 16% der Runden deutlich besser anspielen kann, wird es in der Nische möglicherweise andere (allgemeinere) Spiele verdrängen.

Da Rollenspieler sich ihre Runden danach aussuchen, wo sie Spaß haben, dürfte der effektiv mögliche Marktanteil dieser Spiele deutlich höher liegen. Desto mehr Rollenspieler es in einer Region gibt, desto höher sind die Chancen der Nischenspiele, dass es Runden gibt, denen sie wirklich die bestmögliche Spielerfahrung bieten, und auf Cons dürften die Chancen massiv steigen.

Ich denke, damit ist es kein Wunder, dass alle großen Spiele (die ich kenne) für jeden Spielstil etwas bieten. Auch Gurps unterstützt komplexes Charakterspiel, und auch Vampire hat taktisch nutzbare Regeln.

Und damit wünsch ich euch viel Spaß beim Spielen!

PS: Für GNS gilt diese Rechnung entsprechend, nur halt mit Dreierpotenzen. Wenn mir jemand 33,3€ für die Arbeitszeit gibt, rechne ich das auch noch durch :)

PPS: Ja, es gilt auch, wenn wir nur die zwei Spielstile taktisches Rollenspiel und Erzählrollenspiel annehmen. Genau rechne ich das gerne für nur 22€ durch :)

PPPS: Das zeigt auch schön, welche Auswirkungen ein kompletter Bruch in der Rollenspielszene für Rollenspiele haben könnte. Wieviele (mindestens Gelegenheits-) Spieler braucht ein Rollenspiel, damit ein Verlag wirtschaftlich arbeiten kann?

P(4)S: Bei kleineren Runden stehen die Chancen deutlich besser, eine passende Runde für ein Nischensystem zu finden (4 Leute: knapp 6% für 2 Spielstile bei 6 Kombinationen, gut 23% für 3 Spielstile bei 4 Kombinationen, gerade mal 10% Runden, die alle Spielstile vereinen).

P(5)S: Nochmal als Erinnerung: Diese Zahlen gehen von einem unrealistisch vereinfachten Modell aus, das ignoriert, dass Rollenspieler sich aktiv Runden suchen in denen sie Spaß haben und dass Runden, in denen alle Spaß haben, deutlich länger bestehen. Die wirklichen Zahlen dürften gerade in Ballungsgebieten deutlich höher liegen.

Anregung: Habt ihr kreative ideen, wie die verschiedenen Aspekte (interessante Geschichte, erfolgreiche Charaktere, bedeutungsvolle Handlungen und schön auszuspielende Szenen) in einem Spiel in den Vordergrund gestellt werden können?

Sucht euch doch einen Aspekt raus und schreibt einen Blog-Beitrag darüber!

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Verschiedenes

Gegen Ende wirst Du vom Thema etwas fortgetragen, kann das sein? ;)

Was mich an Deinem Artikel grundsätzlich stört ist, dass er von der Qulität, mit der das Thema behandelt wird leider überhaupt nicht mit Florians Artikel mithalten kann. Das findei hc sehrschade, weil es einen Vergleich sehr erschwert. Hätte mich gefreut, wenn daraus eine zielorientierte Diskussion hätte werden können. So ist aber eine Menge Vorarbeit zu leisten, um so etwas erreichen zu können.

An einem Punkt scheint deine ansicht sich selbst zu widersprechen. Du schreibst "die Gefahr des Spielendes erzeugt allerdings bei langjährig erschaffenen Chars schlicht und einfach Angst um die eigene Schöpfung" wobei "Spielende" hier dne Tod des charakters meint, wenn ich das richtig verstanden habe. Im folgenden Absatz schreibst Du "erzeugt schon die Sorge um liebgewonnene NSCs eine Spannung, die ich bei gerade frisch erschaffenen Charakteren kaum habe". Sorge und Angst ist doch etwas recht ähnliches, wenn auch vielleicht in unterschiedlicher Intensität. Warum also es einmal völlig ablehnen udn das andere mal als genau den Nervenkitzel beschreiben, den man braucht?

Bild von Drak

Qualität und Herangehensweise

Zum Ende hin bin ich etwas weggerutscht, das stimmt :) Vielleicht wäre es besser gewesen, den Artikel in zwei einzelne Artikel aufzuteilen. Ab dem 5. Absatz den Abschlusses bin ich in Statistik abgeglitten.

Von der Qualität her unterscheidet er sich von Florians Artikel auch deutlich. Ich ziehe keine Theoriebücher zu Rate, sondern schaue mir an, was in den Runden passiert, die ich kenne. Allerdings sehe ich auch die Diskussion auf ähnlich hohem theoretischem Niveau als nicht so fruchtbar an, da mir einige grundlegende Fehler direkt aufgefallen sind, für die ich nicht in eine verkopfte Diskussion gehen muss (widerlegen ist fast immer leichter als belegen/beweisen). Gleichzeitig kann ich nicht auf so hohem Ludologischen Niveau diskutieren, deswegen versuche ich meine Argumentation in Bereichen zu halten, von denen ich etwas verstehe (und schreibe auch, was ich von seinem Artikel glaube zu verstehen). Die grundlegenden Kritikpunkte sind: "zwei unterschiedliche Spielklassen bedeuten aus eigener Erfahrung nicht, dass sie nicht kombinierbar sind" und "Die Belege dafür, dass wir wirklich zwei unterschiedliche Klassen haben überzeugen mich nicht".

Sie es als den Unterschied zwischen theoretischer Physik und Experimentalphysik :)

Ich versuche das nächstes Mal sauberer zu erklären, und die Finger von Neuinterpretationen zu lassen (auch dafür kann ich einen weiteren Artikel schreiben).

Bei dem scheinbaren Widerspruch habe ich nicht genug auf die Terminologie aufgepasst: "Angst um die eigene Schöpfung" bedeutet (bei mir) negativen Stress, während "Sorge um liebgewonnene NSCs" positiven Stress erzeugt, weil auch beim Verlieren nicht das Werk von Jahren draufgeht. Das ist ähnlich wie der Unterschied zwischen der Spannung, ob man ein Projekt erfolgreich beendet und dem Stress durch die Angst um die persönliche Zukunft (und vor Hartz 4). (Die korrekten Begriffe sind, glaube ich, Eustress und Dysstress - wobei Dysstress eigentlich anhaltenden Stress bezeichnet, der nach längerer Zeit negativ wird, daher bin ich da nicht ganz sicher).

Ich habe allerdings etwas übersehen: In Erzählrollenspielen wird die Kontrolle des Spielleiters über die Welt betont, während in taktischen Rollenspielen die Kontrolle des Weltenautors (und damit eines festgeschriebenen Kanons) betont wird. Regeln sehe ich dabei als Teil der Welt an (als ihre "Physik").

Und ich hätte noch mehr darauf eingehen sollen, dass auch Florian schreibt, dass er nicht sicher ist, ob die ludologischen Ansätze beim Rollenspiel greifen. Ich denke nämlich, dass dadurch die "Klassen nicht kombinierbar"-Problematik ausgehebelt wird: Wir haben nicht die Verbindung von zwei klassischen Spielen, sondern wir haben die Kombinierung eines klassischen Spiels (z.B. Schach) mit anderen Arten von Freizeitbeschäftigung (Erzählen, Schauspielern, ...).

Um die Züge herum werden Geschichten entworfen (ähnlich wie in "Battle Chess", wenn du das noch kennst, nur weitergeführt), die dann ausgespielt und mit immer neuen Details geschmückt werden. Irgendwann werden die Regeln aufgeweicht, um mehr Geschichten zu ermöglichen (warum die Königin dem König ein Messer in den Rücken rammen will wird plötzlich wichtiger als die Frage, wann sie es tut) - und hier kommt dann der Konflikt, weil manchen Leuten die Regeln wichtiger sind und anderen das Erzählen. ... Grundkurs Rollenspielgeschichte, Lektion 0.1 ;)

Worum es bei den Regeln geht ist dabei meiner Meinung nach nebensächlich. Es ist egal, ob die Regeln sich um abstrakte Intrigen drehen oder um konkrete Faustschläge. Die Frage ist eher, wie stark die Welt (inklusive Regeln) als unveränderlich angesehen wird - also wie viel direkte Macht die SL hat.

In DSA mit komplettem Hintergrundmaterial z.B. hat die SL deutlich weniger echte Macht als in D&D, weil hier die Welt viel stärker festgelegt ist ("nein, die Schenke ist nicht im Osten der Stadt, sie ist im Westen!" - "na gut, dann ist da keine Schenke. Ihr sucht also weiter, bis ihr sie nach drei Stunden im Westen findet."). In D&D hat die SL zwar weniger Macht im direkten Kampf, kann dafür aber die Welt viel stärker formen, weil die Spieler weniger Kanon dafür haben.

OK, das ist immernoch alles "meiner Meinung nach", weil ich von Ludologie als Wissenschaft wenig Ahnung habe - ich kenne nur die Praxis. Ich weiß aber aus der Physik, dass eine Theorie dann fehlerhaft ist, wenn sie Vorraussagen trifft, die sich in der Praxis nicht bestätigen.

Übrigens: Danke für deine Kritik!

Ich find' es gut, dass du meinen Text nicht einfach so stehengelassen hast.

:)

Hab' ich doch gern gemacht ;) Mir ging es darum, dass diese Diskussion sich nicht so weiter entwickelt wie viele andere Diskussionen zum Thema, nämlich zu bloßem Geschimpfe, auch wenn es davon noch ein gutes Stück weg war. Dein NAchtrag ließt sich auch sehr sachlich, findei hc gut :)

Grundsätzlich bin ich mir auch nicht sicher, ob man ERzähl- und Taktikspiel nicht kombinieren kann. Was mir aber noch fehlt ist eine solide Brücke zwischen Theorie und Praxis. Im endeffekt müßte man wirklich mal "Rollenspiel unter Laborbedingungen" spielen, wobei noch festzulegen ist, was "Laborbedingungen" beim RPG sind. Vielleicht würde diese Brücke auch helfen, die vielen Theoriediskussionen auf eine deutlich solidere basis zu stellen, weg von Meinungen hin zu nachweisbaren, objektiven und vergleichbaren Bewertungen. Ich bin mir sicher, dass dieser Punkt eines Tages kommen wird. Je höher das Interesse der kommerziellen Anbieter von RPG-Produkten ist, umso eher. Vielleicht wird so etwasauch schon abseits der Öffentlich betrieben.

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Laborbedingungen

Laborbedingungen wären sicher interessant - aber wie können wir dabei den Spielaspekt erhalten?

In der Psychologie ist bereits bekannt, dass sich Leute anders verhalten, wenn sie wissen, dass sie beobachtet werden (und ich habe die Erfahrung auch selbst gemacht). Als Beobachtung zählt dabei natürlich auch Aufzeichnung der Runden.

Aber immerhin ist es möglich, Theorien darauf zu prüfen, ob sie eine bestimmte Vorraussage für Rollenspielrunden treffen. Wenn ja, können wir einfach kollektiv auf unsere Erfahrung zurückgreifen und schauen, ob sie zutrifft.

Wenn sie eine neue Art von Spiel propagiert, müssen wir halt versuchen die Auswirkung der Theorie zumindest weitgehend von anderen Aspekten zu isolieren.

Mögliche Fragen dafür:

  • Würde ein Spiel, das für die Theorie geschrieben wurde, auch ohne Anwendung der Theorie entsprechend gut funktionieren (z.B. wegen tollen Geschichten)?
  • Würde es ähnliche Effekte haben, nur einen Teil der Theorie zu nutzen? Welcher Teil macht am meisten aus? -> Effekte isolieren.
  • Hat es einen ähnlichen Effekt, der Spielrunde eine zufällige Theorie vorzustellen, für die die gleichen Vorteile angepriesen werden wie für die zu prüfende Theorie? -> Welche Auswirkung hat alleine schon die Behauptung, dass eine bestimmte Theorie etwas verbessert?

Braucht aber alles viele Gruppen, die bereit sind viel neues auszuprobieren. Da reicht dann nämlich der Rückgriff auf persönliche Erfahrung nicht mehr.

Wichtig ist dann auch, jeweils die Gruppenzusammensetzung unter die Lupe zu nehmen -> Spielertypen.

Hm...

Deine Bedenken teile ich. Allerdings weiss ich auch viel zu wenig über Psychologie und derartige Versuche, um dazu eine fundierte Meinung zu haben oder Pläne zu entwickeln. Aber ich glaube, ich werde die Tage mal meine Schwester ausquetschen, die studiert nämlich Psychologie. Vielleicht weiss sie ja was ;)

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Schwestern ausquetschen ;)

> Aber ich glaube, ich werde die Tage mal meine Schwester ausquetschen, die studiert nämlich Psychologie. Vielleicht weiss sie ja was ;)

Cool! Mach das!

Ich freu' mich schon auf die Ergebnisse!

Spielt sie auch Rollenspiele?

Re: Rollenspiel ist eine Symbiose

Hi Drak,

danke fürs Lesen meines Textes und die Gedanken dazu.

Ohne das in irgend einer Form abwertend zu meinen muss ich sagen, dass Du meinen Text wahrscheinlich nicht (ganz) verstanden hast. Auf die eigentlich trennenden Argumente gehst Du daher hier gar nicht ein.

Ich bleibe natürlich auf dem Standpunkt, dass die beiden Klassen unvereinbar sind. :)

Wir sehen uns hoffentlich wieder auf dem NordCon, da halte ich auch einen Workshop zu dem Thema.

Viele Grüße, Florian

P.S. Dein Captcha funktioniert (bei mir) nicht in Opera.

P.P.S. Ich kommentiere gleich nochmal den anderen Post. :)

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Verstanden...

Hi Florian,

Es kann gut sein, dass ich deinen Text nicht ganz verstanden habe. Nachdem TheClone mich daran erinnert hat, dass ich von Ludulogie nicht genug Ahnung habe, um die tieferen Bedeutungen deines Textes zu verstehen, habe ich in Realitätscheck: Erzählspiel und taktisches Spiel als nicht kombinierbare Klassen? das getan, was ich schon hier hätte tun sollen: Mich auf das konzentrieren, was ich selbst mit ausreichend Hintergrund beitragen kann.

Und das sind Erfahrungswerte, mit denen ich die Vorraussagen deines Textes (wie ich sie verstanden habe) überprüfen kann.

Hier in diesem Text bin ich darauf eingegangen, wo ich denke, Schwachstellen in deiner Argumentation gefunden zu haben.

Hauptpunkte:

  • Analyse 1: Die beschriebenen Abgrenzungen existieren bei uns so nicht.
  • Analyse 2: Grundlegend machen aber Erzählrollenspiele und taktische Rollenspiele das gleiche: Sie nehmen eine Hintergrundwelt und stellen daraus bestimmte Situationen in den Vordergrund.

Mit den zwei Hauptpunkten war meinem Verständnis nach die Grundlage für die restlichen Argumente verschwunden (deswegen bin ich auf spätere nicht mehr eingegangen).

Im Realitätscheck habe ich dann allerdings Punkte gefunden, an denen meine Praktische Erfahrung und deine theoretischen Vorraussagen übereinstimmen (Entscheidungen über einzelne Handlungen treffen).

Durch offline-Diskussionen habe ich inzwischen aber eine weitere These gefunden: Kann es sein, dass du sehr harte Klassen definierst (wenn auch nur einmal am Spielabend dem Drama der Vorzug vor den Regeln gegeben wird, ist es kein taktisches Spiel und wenn auch nur einmal am Spielabend den Regeln der Vorzug vor dem Drama gegeben wird, ist es kein Erzählspiel)?

Mit der Definition würden deine Vorraussagen mit meinen Erfahrungen übereinstimmen. Dafür würden deine Klassen allerdings nur einen sehr geringen Bruchteil aller Runden abdecken (und keine der Runden, in denen ich bisher gespielt habe), so dass ihre Relevanz für die Rollenspielpraxis sehr gering wäre - gerade weil sie so definiert sind, dass Mischformen unmöglich sind.

Verstehe ich deine Definition damit richtig?

Laudatio

Dein Beitrag wurde von rsp-blogs.de gewürdigt:

Laudatio

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Link

Ich habe den Link gerade gefixt.

Die Monatliche Laudatio finde ich eine tolle Idee!

Hallo Drak,super

Hallo Drak,

super ausführliche Gedanken, sehe ich im Prinzip genauso.

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Hi

Hi,

Der Realitätscheck beschreibt das nochmal deutlich sauberer.

Lieben Gruß, Arne

PS: Habe deinen Namen auf euren Shop geändert, weil ich nicht weiß, ob du deinen echten Namen hier drin stehen haben willst, aber keine so völlig allgemeinen Namen stehen lasse.

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„Durch das fixe Regelsystem haben wir nur sehr wenig Zeit auf Regelebene verbracht und hatten mehr Muße, auf das Setting einzugehen.“
— PiHalbe: Mutant — Under­gångens Arvta­gare
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