1w6 - Ein Würfel System - Einfach saubere, freie Rollenspiel-Regeln
"Ach so, meine Geschichte wollt ihr? Hmm... am liebsten würde ich jetzt sagen, dass es da nicht viel zu erzählen gibt und ich ein ganz gewöhnlicher Typ bin. In Wahrheit bin ich aber ziemlich weit herumgekommen und habe dabei einiges erlebt. Deshalb bin ich wohl kein ganz gewöhnlicher Mensch mehr. Aber ganz ehrlich, wer von uns ist das schon?" - Belu al-Azarah, phönizischer Medicus
Situation: Ben ist zwar die meiste Zeit über SL, möchte aber dennoch einen Charakter erschaffen für den Fall, dass ihn jemand mal ablösen will. Sollte das nicht passieren oder Ben später wieder SL sein, muss sein Charakter immer noch einen nützlichen NSC abgeben, an den sich die Charaktere wenden können, etwa damit er ihnen Tips gibt oder ihnen aus brenzligen Situationen hilft. Eine Art "Anker" für die Gruppe.
Spieler achten beim Erschaffen ihrer Charaktere nämlich häufig nicht darauf, was für Archetypen bereits in der Gruppe vorhanden sind, weil sie meist Charaktere nach persönlichen Kriterien und nicht nach Gruppendynamik erstellen. So entstehen z.B. Gruppen mit zwei Zauberern, aber ohne Nahkämpfer. Diebe, die Schlösser öffnen können, sind meist auch Mangelware, was etwas ärgerlich ist, wenn man einen Politthriller vorbereitet hat, in dem es eine Infiltrationsszene gibt. Eine gute SL weiß das bereits und erschafft ihren Charakter so, dass er die Schwächen der Gruppe ausgleicht und sie aus dem Hintergrund unterstützen kann. So können die Spieler jene Charaktere spielen, die sie wirklich verkörpern wollen, ohne auf das Balancing der Gruppe achten zu müssen, und die SL muss nicht nur auf die Gruppe zugeschnittene Abenteuer leiten, sondern kann den für diesen Einbruch benötigten Dieb einfach "outsourcen". Die Spieler schätzen es meist auch sehr, so einen Verbündeten in der sonst eher verschlossenen oder gar feindlichen Spielwelt zu haben. Er ist wie ein wichtiger NSC, bloß dass er dich nie aufs Kreuz legen würde. Umso erschütternder, wenn er es irgendwann doch tut!
Wichtig ist aber, solche SC/NSC Hybriden den Spielern nicht das Rampenlicht stehlen zu lassen. Sie bleiben im Hintergrund und gehören quasi zum Support-Team. Sie sind mal für eine besonders brenzlige Szene zu haben, basteln ein paar Gimmicks für die Charaktere oder versorgen ihre Wunden. Und der "outgesourcte" Dieb wird vielleicht wirklich nur das Schloss der Eingangstür knacken und dann heißt es: "Okay, der Rest ist dann eure Sache. Wenn mal wieder was ist, ihr wisst wo ihr mich findet".
Ein weiterer Vorteil liegt auf der Hand: in Runden mit wechselnden SLs - und das sind imho recht viele - "verschwindet" der Charakter der SL nicht einfach, sondern ist immer noch für die Gruppe verfügbar. "Hybriden" sind meistens aber auch schöner ausgearbeitet als normale NSCs, eine SL kann mehrere davon bereit halten und je nach Gusto in einen von ihnen wechseln wenn er/sie von einer anderen SL abgelöst wird. So kann ein Team von FBI Agenten SCs z.B einen ganzen Tross von "Sidekicks" haben: den Gerichtsmediziner, den Scharfschützen, den nervigen, aber berühmten Reporter, den Privatschnüffler, auf den man notgedrungen angewiesen ist, oder den Vorgesetzten, der "die Sache selbst in die Hand nimmt". Lustig wäre es, solche Figuren in großen Gruppen von Co-SLs oder Gastspielern spielen zu lassen. Sie bewegen sich dann in einer Grauzone zwischen Spieler und SL.
So verfügt die jetzige Gruppe bei Ante Portas zwar über eine Kräuterkundige, jedoch nicht über einen "Chirurgen", der Wunden nähen, Knochenbrüche schienen und Pfeilspitzen entfernen kann. Hier wird Ben ansetzen und seinen Charakter zumindest teilweise auf diesem Konzept aufbauen. Er hat sich auch bereits Hintergrund und Geschichte seines Charakters überlegt. Warum aber wird sie hier erzählt? Um deutlich zu machen, dass eine Vorgeschichte prima Anreize für Eigenschaften, Beruf, Kampffertigkeiten und Fertigkeiten gibt, dass sich aber starke oder schwache Werte eines Charakters auch prima als Aufhänger für Teile der Geschichte eignen. Ich kann z.B. sagen: "Belu ist der Sohn eines berühmten Medicus, also hat er wahrscheinlich bereits von seinem Vater viel gelernt. Ich nehme Medicus als Beruf!" Oder aber umgekehrt: "Belu soll ein guter Bogenschütze sein. Dafür müsste er wohl mindestens fünf Jahre bei einer Truppe von Bogenschützen gedient haben. Okay, bauen wir das so ein. Und hey, dabei ist er dann auch mit den Römern in Konflikt geraten, als seine Truppe..." Deshalb ist die Vorgeschichte eines Charakters immer das erste, was ich schreibe.
Vorstellung: Belu al-Azarah, phönizischer Medicus zwielichtiger Gesinnung.
Belu stammt aus Nordafrika, der Gegend des früheren Karthagos. Bereits von seinem Vater, einem berühmten und hoch angesehenen Medicus, hat er gelernt, wie man Wunden behandelt, Operationen durchführt und Hausmittelchen braut. Sein Vater ist jedoch viel zu früh an Malaria gestorben, sodass Belu einen neuen Lehrmeister suchen musste, um seine Ausbildung vollenden zu können.
Dieser neue Lehrmeister, ein hagerer, listiger Greis namens Hamilkar, war mehr Ganove und Quacksalber als Medicus, da seine Hände längst viel zu zittrig zum operieren waren. Seine Spezialität war das Schmuggeln und der Handel mit Opium, Marihuana und anderen "Medizinalien".
Sieben Jahre war Belu mit dem Quacksalber Hamilkar unterwegs, und er hat viel von ihm gelernt. Um zu überleben, mussten Belu und sein Meister hier und da die Gesetze verbiegen, denn in den Jahrhunderten seit die Römer Karthago dem Erdboden gleichgemacht haben, ist die gesamte Region verarmt, und gute phönizische Ärzte gibt es leider schon viel zu viele. So erwarben sie auf ihren Reisen allerlei Heilpflanzen, Rauschmittel und andere medizinische Ingredienzien von afrikanischen Völkern und brachten diese, getarnt durch ihren Beruf als fahrende Heiler, in das römische Reich, um sie gewinnbringend zu verkaufen.
Als nach sieben Jahren auch der alte Hamilkar das Zeitliche segnete, hatte Belu genug von diesem unsteten Leben. Von der Hand in den Mund zu leben, ständig durch gefährliche Gegenden zu reisen und sich dazu auch noch strafbar machen, das hält doch auf Dauer kein Mensch aus. Also entschloss er sich, den römischen Auxiliartruppen als Feldarzt beizutreten.
Er kam zu einer kleinen Truppe von Bogenschützen, die in Nordafrika stationiert war und dort vor allem gegen große, gut organisierte Stämme nomadischer Banditen eingesetzt wurde. Da jedes Mitglied kleinerer Auxiliartruppen kämpfen können muss, nahmen ihn die erfahrenen Haudegen unter ihre Fittiche und übten täglich mit ihm. In seinen fünf Jahren bei der Truppe wurde er so selbst zu einem versierten Bogenschützen, wobei ihm die ruhige, sichere Hand des Medicus half. Aber auch mit dem Langmesser und bloßen Fäusten lernte er sich seiner Haut zu erwehren.
Seine Zeit bei der Truppe fand ein jähes Ende durch einen Vorfall, über den Belu bis heute sehr ungern spricht. Alles, was man aus ihm herausbekommt ist, dass seine Truppe an dem Aufstand karthagischer Rebellen gegen die römische Administration teilgenommen hatte und dabei kläglich gescheitert war. Wie er es fertigbrachte, nicht wie der Rest seiner Truppe hingerichtet oder als Sklave verkauft zu werden, bleibt wohl sein kleines Geheimnis. Jedenfalls brachte ihn sein letztes Geld gerade noch auf ein Schiff nach Neapolis.
In der berühmten Stadt mit Blick auf den Vesuv traf er einige Tage später auf einen reichen Weinhändler namens Salvius Livius Bacchulus, der sich hier in Kur befand. Ein Mann mit der Größe eines Bären, dem Umfang eines Wagenrads und der Leber eines Ochsens. Seit geraumer Zeit ging es ihm schlecht, was auch kein Wunder war bei seinem Lebenswandel. Im Gegensatz zu den Ärzten, die Salvius zuvor besucht hatte, die nur auf sein Geld aus waren, ihm nach dem Mund redeten und ihm dann teure, aber wirkungslose Wundermittel verkauften, konfrontierte Belu den Mann damit, dass er nicht mehr lange leben würde, wenn er nicht wesentlich mehr Rücksicht auf seine Gesundheit nähme. Dies beeindruckte den Weinhändler so sehr, dass er ihn als seinen Leibarzt einstellte. Bis zum heutigen Tage ist es seine hauptsächliche Aufgabe geblieben, dafür zu sorgen, dass sich sein Patient nicht so maßlos gehenlässt. Zudem ist er zu einer Art Haushofmeister avanciert: er verwaltet das Personal, tätigt Einkäufe auf dem Markt, macht einen Teil der Buchhaltung und so weiter. So hat ihn Salvius kürzlich nach Augusta Treverorum vorausgeschickt, damit er alles Nötige für seine Ankunft vorbereite. Belu hat bereits eine Vorahnung, dass der Dicke während seiner Abwesenheit sämtliche guten Vorsätze bezüglich seiner Gesundheit über den Haufen werfen wird.
Auf seinen Reisen mit Hamilkar hat Belu Kamele, vielmehr Dromedare, sehr zu schätzen gelernt. Häufig gerät er ins schwärmen, wie viel klüger, geduldiger und genügsamer sie im Vergleich zu Pferden sind. Außerdem beißen sie nicht und treten auch nicht mit den Hufen aus, und das bisschen Spucke? Das geschieht dir recht wenn du das Tier geärgert hast. Die höfliche Art von Kamelen fängt schon an, wenn sie sich hinlegen, damit du bequem in den Sattel kommst, was ein Pferd niemals tun würde. Und ist es nicht possierlich, wie so ein durstiges Kamel ein ganzes Schwimmbecken leertrinkt? Belu hatte das große Glück, sich von seinen Ersparnissen ein eigenes Kamel kaufen zu können, das er nach dem großen karthagischen Feldherrn Hannibal genannt hat. Wenn er in Augusta Treverorum, also im damaligen Trier, wie selbstverständlich mit Hannibal auf den Markt geht, um Oliven, Käse und Gewürze zu kaufen, zieht er schon so manchen Blick auf sich, und auch manches verächtliche Lächeln folgt ihm. Aber daran hat er sich mittlerweile gewöhnt. Römer sind eben einfach Banausen, die ihre sämtlichen Errungenschaften von anderen Völkern geklaut haben. Und ihre Banausenhaftigkeit äußert sich besonders in ihrer Verachtung für das edelste aller Tiere.
Wenn man den doch recht kleinen, untersetzten Belu sieht, mit seinem kurzen Vollbart im stets lächelnden, braungebrannten Gesicht, würde man nie denken, dass von ihm irgendeine Gefahr ausgeht. Er ist mit aller Welt gut Freund, zumindest nach außen hin. Doch niemand kann wissen, was der Verstand hinter diesen wachen, listigen braunen Augen alles auszuhecken in der Lage ist.
Name: Belu al-Azarah Funktion: Leibarzt Alter: 36
Eigenschaften
Lebenskraft ++++ Listig + Sichere Hand +
Kampferfahrung:
Initiative: 12 Ausweichen: 12 Bogen: 15 (+) Langmesser: 12 Unbewaffnet: 12
Fertigkeiten:
Lügen und Betrügen: 13 (+) Tiere zähmen: 12 Schleichen und Verstecken: 13 Feilschen und Handeln: 13 (+) Reiten: 12
Beruf:
Medicus: 12
Zitate:
"Trau keinem Römer, er zerstört deine Heimatstadt und lässt dich danach in seiner Armee dienen."
"Pfui, Hannibal!"
"Bei Isis und Osiris, das sieht böse aus!"
"Gesetze? Sind für Leute die sich erwischen lassen."
"Einmal täglich davon und zwei Wochen Ruhe."
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